Babyblog

Rund ums Stillen – Zwischen Glück und Druck

05.01. 2021

In den 1960er Jahren verpönt, ist Stillen dank einer starken internationalen Frauenbewegung heute wieder der Inbegriff der Natürlichkeit. Gleichzeitig ist auch der Druck, zu stillen, so gross wie nie. Junge Mütter stehen im Zwiespalt. Doch nur wenn Sie mit Ihrer persönlichen Lösung glücklich sind, geht es Ihnen auch als Familie gut.

Einerseits verspüren viele werdende Mamas den Wunsch, ihrer natürlichen Bestimmung zu folgen und zu stillen. Andererseits ist der öffentliche Druck, eine schlechte Mutter zu sein, riesig für diejenigen, die nicht können oder wollen. Die WHO empfiehlt, die ersten sechs Monate exklusiv zu stillen und Mahlzeiten bis zum zweiten Lebensjahr mit Muttermilch zu ergänzen. Doch wer nach sechs Monaten noch voll weiterstillt, muss mit ziemlich skeptischen Blicken und Kommentaren rechnen. Die Verunsicherung ist entsprechend gross.

Susanne Schmid, eine freie Hebamme und junge Mutter aus Kirchlindach, plädiert deshalb für mehr Toleranz für die persönlichen Entscheidungen von Frauen – egal, wie diese aussehen. Denn nur wer sich unterstützt und ernstgenommen fühlt, kann sich in seiner Rolle als Mutter zufrieden und sicher entfalten. Susanne Schmid: «Tatsache ist, dass wenn es der Mutter gut geht, auch die Kleinen glücklich sind. Das ist für das Wohlbefinden entscheidend.»

Ist Stillen intuitiv oder eine Fähigkeit, die man lernt?

Während manche Mütter und Babys intuitive Stiller sind, erleben die meisten jungen Mütter einen Schock, wenn sie merken, dass es nicht einfach so geht und zu Beginn erst noch unglaublich schmerzen kann. Susanne Schmid: «Stillen ist eine erlernte Fähigkeit. Geben Sie sich und Ihrem Kind Zeit und nehmen Sie alle fachliche Unterstützung und Beratung zu Hilfe, die Ihnen zusteht.» Manche brauchen Wochen, manche gar Monate. Ungeduld ist der «Scheiter-Faktor» Nummer eins. Nach der Geburt zu schnell zu viel tun wollen, führt zu Stress und Überforderung und zu Problemen mit dem Milchfluss. Gönnen Sie sich, wenn immer möglich, ganz viel Ruhe und wachsen Sie mit Ihrem Kleinen langsam in diese Stillbeziehung hinein.

Will ich stillen und wie lange?

Frauen, die sich ganz klar fürs Stillen entscheiden, sind viel motivierter, dabeibleiben zu wollen, als diejenigen, die sich dazu überreden lassen. Viele Männer verspüren zudem Eifersuchtsgefühle, wenn das Kleine den Körper der Mama so komplett einnimmt. Susanne Schmid: «Die Unterstützung des Partners ist unglaublich wichtig und hat einen grossen Einfluss darauf, wie lange eine Frau stillt.» Wie lange Sie stillen möchten, hängt natürlich auch davon ab, wie gut es läuft und ob und wann Sie wieder an Ihren Arbeitsplatz zurückkehren. Gesetzeshalber haben Sie Anspruch, während Ihrer bezahlten Arbeitszeit Milch abzupumpen. Für viele Mütter ist die Belastung und Umständlichkeit längerfristig jedoch zu gross.

Welche Vorteile und Herausforderungen bringt das Stillen?

Unbestritten ist, dass Muttermilch alles enthält, was Ihr Baby braucht; Ihre Antikörper verleihen zudem einen gewissen Schutz vor Krankheiten. Ob Babys dadurch allergieresistenter und intelligenter werden, ist wissenschaftlich nicht so klar belegt, wie gerne behauptet wird. Stillen fördert jedoch eine enge Mutter-Kind-Beziehung; sie verbringen Tag und Nacht in nächster Nähe. Manche Frauen überfordert dies. Die Flasche gibt ihnen in diesem Fall das Stückchen persönliche Freiheit zurück, welches ihnen hilft, wieder gelassen zu lieben. Ihr Baby füttern zu können (mit Pulver- oder abgepumpter Muttermilch), heisst nicht zuletzt für viele Partner, ebenfalls schneller eine engere Bindung zu ihrem Kleinen aufbauen zu können. Schliesslich der Kostenfaktor: Pulvermilch ist teuer und muss jedes Mal frisch zubereitet werden. Muttermilch ist natürlich und allzeit bereit. Der Preis dafür ist Ihre persönliche Angebundenheit und ganz viel Zeit, die es zum Stillen braucht.

Wie auch immer Sie sich entscheiden, wählen Sie die Lösung, bei der Sie und Ihre Familie sich am wohlsten fühlen. Sie wissen am besten, was für Sie stimmt – nicht Ihr Arzt, nicht Ihre Freundinnen, Ihre Mutter oder ein Artikel aus einem Magazin. Probieren Sie aus, was für Sie persönlich passt und holen Sie die Unterstützung, die Sie dafür brauchen.